Der überforderte Chef
Soziale Kompetenz, Sicherheit in Führungsfragen, Kreativität und Fachwissen: über all das sollte ein guter Chef verfügen. Doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Wie sollen Mitarbeiter mit einem überforderten Vorgesetzen umgehen?
"Überforderte Chefs haben oft die Angewohnheit, wenig direkte Mitarbeitergespräche zu führen. Sie vermeiden kritische Themen, lassen Entscheidungen liegen und blockieren damit notwendige Prozesse", sagt Dr. Karin Scherrer, Leiterin des Kompetenzzentrums für Fortbildung und Arbeitsgestaltung an der Bergischen Universität Wuppertal.
Der Organisationspsychologe Professor Dr. Fred Müller von der Universität in Landau ergänzt: "Oft werden etwa Ingenieure mit großer Fachkompetenz in eine Führungsverantwortung gestellt, die nicht ihren Qualifikationen entspricht. Denn Chefs brauchen auch soziale Fähigkeiten wie ein Gespür für das eigene Team."
Die Ziele für sich "redefinieren"
Die Folgen dieses Mangels schildert Karin Scherrer: "Überforderte Chefs können häufig keine Prioritäten setzen und haben meist auch ein ungünstiges Zeit- und Selbstmanagement." Besonders Perfektionisten laufen Gefahr, in Führungsposition überfordert zu sein. "Denn sie wollen möglichst alle Erwartungen erfüllen und neigen damit zur Überkontrolle. Das powert sie und ihre Mitarbeiter aus", so Fred Müller.
Ein anderer Typus überforderter Chefs wiederum lässt alles laufen. Ihm fehlt es häufig an eigenen Zielen und Strategien, erklärt Karin Scherrer. "Zwar sind die Ziele und Strategien einer Firma in der Regel vorgegeben. Trotzdem muss ein führender Mitarbeiter diese Ziele für sich, 'redifinieren', wie wir es in den Arbeitswissenschaften formulieren, damit sie seine eigenen werden", so die Arbeitspsychologin, die auch Coachings von Führungskräften durchführt.
Offene Gespräche sind nicht alles
Wenn die fachliche und soziale Unterstützung beim Chef fehlt, hat dies bei den Mitarbeitern nicht selten die innere Kündigung zur Folge. Der Krankenstand in der Abteilung steigt, ebenso die Fluktuation. Die Produktivität dagegen sinkt. "Je höher ein überforderter Chef im Unternehmen angesiedelt ist, desto ernstzunehmender sind die Folgen. Das kann bei überforderten Topmanagern bis zur Existenzbedrohung des ganzen Unternehmens führen", warnt Fred Müller.
Karin Scherrer warnt davor, ein offenes Gespräch als Allheilmittel gegen Probleme im Betrieb zu betrachten. Deswegen hält sie nichts davon, den Chef auf seine vermeintliche Überforderung anzusprechen. "Das ist eine ganz sensible Kiste. Viele Chefs werden sauer, wenn sie direkt auf ihre vermeintliche Überforderung angesprochen werden und rächen sich an dem Mitarbeiter, der das offene Gespräch gesucht hat."
Den eigenen Status überprüfen
Zudem würden die im Management weiter oben angesiedelten Chefs meist zu dem leitenden Mitarbeiter stehen. Deshalb führen Beschwerden nicht unbedingt zum Erfolg. Das Gleiche kann für den Weg über den Betriebsrat gelten, wie der Organisationspsychologe Fred Müller weiß. Eine bessere Möglichkeit dagegen sind Gesundheitszirkel. Dort könnten sich Mitarbeiter im geschützten Raum über betriebliche Probleme austauschen und versuchen, diese zu lösen, so Karin Scherrer.
Statt dem Chef ewig zu grollen und gegen ein Problem anzurennen, sollten die betroffenen Mitarbeiter ihre eigene Situation analysieren. Dazu gehört auch die Beantwortung der Frage, ob sich an der Situation bald etwas ändern könnte, zum Beispiel durch die turnusmäßige Versetzung des Vorgesetzten. Nach dieser Analyse können dann eigene Ziele definiert werden, auf die sich die Betroffenen dann konzentrieren können. So könnte man sich etwa auf die gute Zusammenarbeit im Team konzentrieren oder auf die Qualität und Qualifikation der eigenen Arbeit.
Ein Lob schadet trotzdem nicht
Karin Scherrer weist auf einen Faktor hin, der zur Erleichterung der Situation beiträgt: "Wenn Ihr Chef überfordert ist, sollten Sie trotzdem nicht vergessen, ihm Anerkennung und Achtung entgegen zu bringen. Sie schaffen damit ein besseres Arbeitsklima und erleichtern auch sich selbst die Arbeit."
Doch nicht nur die Mitarbeiter leiden unter der Überforderung ihres Vorgesetzten, sondern auch der Vorgesetzte selber. Dies äußert sich häufig in psychosomatischen Krankheiten wie Rückenschmerzen. Die Arbeitspsychologin rät solchen Führungskräften zu einem Gespräch mit einer Vertrauensperson oder einem externen Coach. Auch hier steht im Mittelpunkt die Analyse der eigenen Situation: Was überfordert mich? Der Termindruck? Was sind meine Schwächen und Stärken?
Dem Chef eigene Ziele anbieten
Auch dem überforderten Chef kann eine Planung der eigenen Ziele weiterhelfen, zum Beispiel welche Position er mittelfristig im Betrieb einzunehmen gedenkt und welche Tätigkeit zu seinen Stärken passt. Fred Müller hält in diesem Zusammenhang auch eine Weiterbildung für sinnvoll, die sich beispielsweise mit den Ressourcen der Führungskraft auseinandersetzt und diese analysiert.
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