Gehaltstipp des Monats: Seien Sie kein Bückling
Bescheidenheit ist keine Tugend. Jedenfalls nicht, wenn es um die Gehaltsverhandlung geht. Martin Wehrle sagt, wie Sie Ihrem Chef gegenüber selbstbewusst und erfolgreich auftreten.
Aus Schüchternheit und in der Hoffnung, so die Gunst des Chefs zu gewinnen, machen sich viele Mitarbeiter in der Gehaltsverhandlung klein. Statt Aussagen huschen ihnen Fragen über die Lippen, statt einer Gehaltsforderung nur ein Gehaltswunsch.
Bittsteller stehen auf verlorenem Posten
Der ist oft auch noch bis zur Unkenntlichkeit verpackt in relativierende Wörtchen wie "bitte", "vielleicht" und "eigentlich", in Konjunktive wie "könnte", "würde" oder "hätte gern".
Welches Signal kommt dadurch beim Chef an?
Sie wollen kein "Danke", sondern mehr Geld
Wenn Sie "eigentlich" mehr Geld wollen, sagen Sie mit anderen Worten: "Wäre schön, aber muss nicht sein". Der Satz "Bitte geben Sie mir eine Gehaltserhöhung" klingt nach Almosen. Und diese milde Gabe, fürchtet Ihr Chef, wird von Ihnen durch ein "Danke" erwidert, nicht durch eine Gegenleistung.
Vergessen Sie bei Ihrem Auftreten nie: Ihr Chef ist ein Geschäftsmann, den Sie überzeugen müssen. Geld gibt er nur aus, wenn's sein muss. Vermeiden Sie also jedes Verhalten, das Sie vom gleichberechtigten Geschäftspartner zum kleinen Bittsteller degradiert. Bitten haben es an sich, dass Ihr Chef sie ohne weitere Konsequenz ablehnen kann.
Sie sind der Verkäufer, Ihr Chef ist der Käufer.
Zur Verdeutlichung können Sie diese Situation auf ein anderes Kaufgeschäft übertragen: Angenommen, Ihnen wird ein wertvolles Schmuckstück angeboten. Der Verkäufer sagt in der Verhandlung: "Ich bitte Sie, zahlen Sie den verlangten Preis. Der Schmuck ist es eigentlich wert!"
Was löst diese Aussage bei Ihnen aus? Wie wirken die Wörtchen "bitte" und "eigentlich"? Wahrscheinlich so:
Bitte, bitte, bitte
1. Der Verkäufer verrät ohne Not seine Abhängigkeit von Ihnen, er schwächt also seine Position. Wer so bedürftig ist, lässt sich auch mit weniger abspeisen.
2. Der Verkäufer löst bei Ihnen die Frage aus: Wenn der Schmuck so wertvoll ist, warum zögert er dann mit dem Preis? Am Ende ist's Falschgold!
3. Sie werden den geforderten Preis keinesfalls zahlen, vielleicht sogar Ihr Interesse am Kauf verlieren. Ihre anfängliche Begeisterung versinkt in Zweifeln.
Nun verstehen Sie, warum Ihr Chef als Käufer in der Gehaltsverhandlung ein solch zauderndes Angebot von Ihnen, dem Verkäufer, nicht annehmen wird. Seine Ohren erreichen Sie nur mit Forderungen, von denen Sie nach Ihrer Wortwahl und Betonung selbst überzeugt sind.
Dazu ein paar Tipps:
- Sprechen Sie laut, deutlich und nicht zu schnell. Lassen Sie Spannung durch kurze Pausen entstehen. Bei Aussagen die Stimme am Satzende senken, das verleiht Überzeugungskraft und verhindert, dass Ihre Feststellung als Frage ankommt (wie bei Hebung der Stimme).
- Verzichten Sie auf schwammige Relativierungen wie "eigentlich", "im Grunde genommen", "irgendwie", "an und für sich" usw. Damit entwerten Sie Ihr eigenes Anliegen.
- Wenn Sie wichtige Aussagen einleiten, dann vor allem mit "Ich bin überzeugt/sicher/bestärkt darin" – weniger mit "Ich glaube/ denke/meine..." Die weichen Formulierungen laden Ihren Chef zum Zweifeln und zum Nachfragen ein.
- Meiden Sie Konjunktive wie "Ich würde sagen, ich habe eine Gehaltserhöhung verdient." Würden Sie – oder sagen Sie‘s tatsächlich?
- Nennen Sie Ross und Reiter beim Namen. Nicht (zögernd und schwammig): "Man hat viel geleistet", sondern (entschlossen und konkret): "Ich habe..." Nicht: "Man sollte das honorieren", sondern: "Sie sollten..."
- Ziehen Sie positive Aussagen den negativen vor. "Meine Forderung passt in die Gehaltsstruktur, weil..." ist besser als: "Ich werde die Gehaltsstruktur nicht sprengen, denn...". Mit Negativaussagen lösen Sie bei Ihrem Chef Negativgedanken aus – und dokumentieren Ihre eigenen Zweifel. Positivaussagen dagegen ziehen positive Gedanken nach sich – und oft auch positive Gehaltsentscheidungen.
(Gefunden in: Martin Wehrle "Geheime Tricks für mehr Gehalt")
Martin Wehrle
war Führungskraft in einem Konzern, ehe er als Karriere- und Gehaltscoach begann. Heute berät er Mitarbeiter aller DAX-Unternehmen und gehört zu den meist zitierten Karriereexperten in Deutschland.
In seiner Hamburger Karriereberater-Akademie leitet er die bundesweit erste Ausbildung zum Karrierecoach.