Gehaltstipp des Monats: Der Chef als Komplize
Wer mehr Gehalt will, muss den Stier bei den Hörnern packen. Aber welchen Stier? Wenden Sie sich mit Ihrer Forderung an Ihren direkten Vorgesetzten.
Tun sie das auch auf die Gefahr hin, dass er die Achseln zuckt und sagt: "Ich geb's weiter."
Oder fragen Sie gleich den heimlichen Entscheider, den Vorgesetzten Ihres Vorgesetzten, den "Big Boss"?
Direkten Vorgesetzten nicht übergehen
Überlegen Sie, welche Folgen es hat, wenn Sie Ihren Vorgesetzten übergehen. Plötzlich wird er von seinem Chef angesprochen: "Herr Müller aus Ihrer Abteilung war bei mir und hat nach einer Gehaltserhöhung gefragt. Wie beurteilen Sie seine Leistung?"
Sofort schießt ihm die Schamesröte ins Gesicht. Sein einziger Gedanke: "Wie stehe ich jetzt vor meinem Chef da?!"
Natürlich entsteht der Eindruck, Sie respektieren ihn nicht als Vorgesetzten. Sonst wären Sie doch zu ihm gekommen! Auf diese Weise untergraben Sie seine Autorität. Jetzt denkt der Big Boss vielleicht, er hätte seine Abteilung nicht richtig im Griff. Und das wegen Ihnen!
Na warte...
Sie können sich denken, wie sein Urteil über Ihre Leistung ausfällt: "Wenn Sie mich fragen: Der Mitarbeiter hat eine große Klappe, aber nichts dahinter. Ich befürchte, er will uns gegeneinander ausspielen. Ich werde ihn mir vorknöpfen!"
Sein Chef wird froh sein, dass er sich nicht weiter mit Ihrer Anfrage herumschlagen muss. Offenbar kann er doch auf seinen Unter-Chef zählen!
Und dieser wird im Gespräch mit Ihnen tausend gute Gründe finden, die gegen eine Gehaltserhöhung sprechen. Sogar auf die Gefahr hin, dass Sie das Unternehmen verlassen. Das wäre ihm vielleicht sogar recht, denn wer hinter seinem Rücken die Fäden zum Big Boss spinnt, kommt zur passenden Zeit schnell auf die Idee, an seinem Stuhl zu sägen.
Der richtige Weg:
Sprechen Sie erst mit Ihrem Fachchef! Das ist gut für sein Ego, er bekommt das Gefühl: Sie nehmen ihn ernst, trauen ihm Entscheidungen zu. Vielleicht wird er antworten: "Ich würde ja gern erhöhen, aber die Entscheidung liegt bei meinem eigenen Chef, und der ..."
Hören Sie das Ja hinterm Aber! Halten Sie es durch aktives Zuhören fest: "Verstehe ich Sie richtig: Wenn es nur nach Ihnen ginge, hätte ich die Gehaltserhöhung verdient?" Ihr Chef hat sich durch seine Bemerkung selbst in die rhetorische Falle manövriert; er wird zustimmen müssen.
Wunderbar!
Schon ist er nicht mehr Ihr Verhandlungsgegner – sondern Sie ziehen mit ihm als Komplizen an einem Strang! Bitten Sie ihn, einen gemeinsamen Termin mit seinem Vorgesetzten zu vereinbaren. Gemeinsam deshalb, weil es immer besser ist, wenn Sie in eigener Sache sprechen können.
Denn wenn er Ihre Argumente weiterträgt, woher wissen Sie dann, ob sie nicht wie beim Kinderspiel "Stille Post" verfälscht ankommen?
Gemeinsame Sache machen
Außerdem kann es gut passieren, dass Ihr Chef den Termin für Werbung in eigener Sache nutzt (er wartet nämlich auf die nächste Beförderung!). Und dann fällt ihm beim Herausgehen ein: "Ach so, wir wollten ja über den Gehaltswunsch von Herrn Müller..." – "Sagen Sie ihm, das wird erst mal nichts!" – "Gut."
Wenn Sie aber dabei sind und er bei Ihnen auch noch im Wort steht ("Ich würde ja gern..."), ziehen Sie an einem Strang – und kriegen die Gehaltserhöhung ins Trockene.
(Gefunden in: Martin Wehrle "Geheime Tricks für mehr Gehalt", Econ Verlag)
Martin Wehrle
war Führungskraft in einem Konzern, ehe er als Karriere- und Gehaltscoach begann. Heute berät er Mitarbeiter aller DAX-Unternehmen und gehört zu den meist zitierten Karriereexperten in Deutschland.
In seiner Hamburger Karriereberater-Akademie leitet er die bundesweit erste Ausbildung zum Karrierecoach.