Kampf dem Burnout
Immer mehr Menschen geht es wie Wiebke Gräfe: Sie fühlte sich schon morgens schlapp und ausgepowert, im Büro war nur noch "Dienst-nach-Vorschrift" angesagt und allmählich wuchs ihr alles über den Kopf: Der totale Zusammenbruch war die Folge.
Mehrere Wochen lang musste sich die Assistentin der Geschäftsführung im Krankenhaus ärztlich behandeln lassen - erst dann konnte sie wieder nach Hause. Die Diagnose des behandelnden Arztes: Burn-Out. Der Buchautor und Diplom-Psychologe Axel Koch kennt die klassischen Symptome und Warnsignale der Erkrankten: "Als erstes kommt der Vergleich. Wie war meine Situation früher und wie ist sie heute und dabei schneidet das Heute deutlich schlechter ab. Dazu kommen die körperlichen Warnschüsse wie Krankheiten, Reizbarkeit, Vergesslichkeit und das ständige Gefühl innerlicher Leere, der Betroffene hat immer das Gefühl, er muss sich aufraffen."
Den beruflichen Alltag hinterfragen
Eine typische Reaktion der Betroffenen: Sie ignorieren die Warnsignale und wandern Stück für Stück in die Burn-Out Falle. Wie auch Mark Burmann, der jahrelang eine 60 Stunden - Woche für eine große Karriere in einer Werbeagentur in Kauf nahm: "Der Zusammenbruch kam natürlich nicht über Nacht! Am Anfang war ich völlig eingenommen von meinem Job, ackerte wie verrückt, aber irgendwann war ich auf und zu Ende. Ich hatte keine Lust mehr auf den täglichen Bürotrott und dann schlichen sich auch die ersten heftigen Fehler im Job ein." Der heute 42-jährige legte den gleichen Leidensweg zurück wie viele Burn-Out-Patienten vor ihm: Er zog sich zurück, igelte sich ein, gab Kollegen die Schuld an seinen eigenen Fehlern und verlor am Ende seinen Job: Isoliert von den Kollegen, aufgegeben von den Vorgesetzten.
Jobverlust, Existenzängste und in der Folge häufig auch Stress im Privatleben: Die Folgen sind grenzenlos. Dr. Rolf van Dick, Sozial-Psychologe und Experte für Arbeits-Psychologie an der Uni Marburg rät deswegen auch, dem Burn-Out von Anfang an einen Riegel vorzuschieben. "Wer lustlos zur Arbeit geht und ständig müde und erschöpft ist, der muss sich fragen: Warum ist das so? Wer seine Überlastung ständig vor sich herschiebt und glaubt, alles wird von alleine besser, der muss aktiv werden und seinen beruflichen Alltag hinterfragen. Und Betroffene müssen die Konsequenzen ziehen und sich ändern! "
Mut zur Änderung
In der Realität ist das natürlich nicht ganz so leicht. Denn wer an dem Burn-Out-Syndrom leidet, erkennt es selbst als Letzter, erklärt Axel Koch. "Die Betroffenen finden sich meistens in Sachzwängen wieder. Und ihre Erkenntnis lautet: Nur so, wie ich es jetzt mache, geht´s weiter!" Interessant dabei: Die wenigsten brennen allerdings aus, weil ihnen zuviel abverlangt wird, behauptet Psychotherapeut und Verhaltenscoach Dietmar G. Luchmann. Sie leiden unter dem Druck, den sie sich selbst setzen. "Es herrscht der Glaube, der eigene Körper könne alles und halte alles durch. Das geht aber nur ein paar Jahre gut", fasst der Leiter des ABARIS Instituts in Stuttgart seine Erfahrungen zusammen.
Was aber hilft nun wirklich, bevor einem alles über den Kopf wächst? Psychotherapeuth Dr. Günther Possnigg rät zur Verhaltensänderung. "Burn-Out zu stoppen erfordert eine Überwindung, einen mutigen Entschluss, sich selbst zu helfen: ein Aufwand, der sich lohnt." Wer sein Leben täglich ein kleines bisschen ändert, wird auf Dauer Erfolg haben: Ein geregelter Tagesablauf zum Beispiel entspannt, regelmäßige Pausen im Job oder auch ein klar getrennter Privatbereich, in dem berufliche Belange hinten anstehen und die Familie das Wichtigste ist. Am wichtigsten aber ist das eigene Umfeld, glaubt Axel Koch und rät Betroffenen, auf die eigenen Freunde und die Familie zu hören, wenn sie das Burn-Out - Syndrom besiegen wollen: "Fragen Sie ab und an Personen, die Ihnen nahestehen, ob Sie etwas an Ihrem Verhalten verändert haben. Ihre Bekannten werden Ihnen unschätzbare Rückmeldungen geben, die Ihnen zeigen, dass Sie mit Ihren Bemühungen Erfolg haben."
Karriere als schleichendes Gift
Den hatte Holger Peulecke, als er das Syndrom abschütteln wollte. "Die Karriere war erst wie ein Aufputschmittel, später dann allerdings wie ein schleichenden Gift", erzählt der Betriebswirt, der bis vor drei Jahren Consultant bei einer der größten deutschen Personalberatungen war. "Mein Leben war Job - montags bis freitags war ich pausenlos im Einsatz, Freitag abend war ich wieder in meiner Wohnung, wo ich nur darauf wartete, am Sonntag wieder meine Koffer zu packen, damit am Montag alles von vorne beginnt." Seine Ehe ging damals in die Brüche und auch viele langjährige Freundschaften haben die Karriere nicht überlebt.
"Meine Freunde fanden mich zum Kotzen, weil ich es nicht geschafft habe, beim privaten Gespräch den Kundenjargon abzulegen. Ich war auch in der Kneipe beim Bier schon wie im Kundengespräch." Eine grausame Zeit habe er durchgemacht, sagt er heute, er war ausgebrannt und am Ende. Bis er eines Tages ernsthaft krank wurde - Atemnot, Herzstiche, Schlafstörungen. "Das hat mir die Augen geöffnet, ich habe mein Leben umgekrempelt. Erst habe ich um meine Ehe gekämpft, und dann habe ich mein Leben in die Hand genommen: Mehr Sport, mehr Freizeit, mehr Faulenzen, einen neue berufliche Aufgabe mit neuen Zielen und einer neuen Motivation. Heute arbeite ich ganz normal und genieße mein Leben, meine Familie und meine Freizeit. Und ehrlich: Mir ging es nie besser".