Bewerbungsmappe: Nicht zu kreativ
Die Bewerbung ist Werbung in eigener Sache. Allzu kreativ sollten Bewerber aber nicht vorgehen, sondern mehr auf Funktionalität und Komfort achten.
Wenn mal wieder merkwürdige Pakete in der Hamburger Glashüttenstraße 38 ankommen, wissen die Empfangsdamen gleich Bescheid. "Da ist was für Dich abgegeben worden", geben sie an Inka Wittmann durch, Personalchefin der Werbeagentur Jung von Matt (JvM). Jüngst versteckte sich eine Bewerbung zum Beispiel in einem mit roten Schnüren zusammengebundenen Heuballen. "Karnickels Paradise", amüsiert sich Wittmann im Nachhinein: Den Weg vom Empfang zum Aufzug und von dort in ihr Büro im vierten Stock hätten die Nagetiere an dem Tag sicher problemlos gefunden - die Bewerbung hatte Duftmarken hinterlassen.
Wittmann arbeitete sich auch schon mit dem Fleischermesser durch einen großen Gelatineblock, um darin an die eingeschweißten Bewerbungsunterlagen zu gelangen. Da stand sie dann mit verschmierten Fingern und war alles andere als begeistert. "Alles, was Dreck macht und schwierig in der Handhabung ist, kommt nicht gut an", stellt sie fest. Vor allem, wenn die Unterlagen die geweckten Erwartungen nicht erfüllen. "Was häufiger vorkommt."
Immerhin - Wittmann schaut sich alle Unterlagen an. "Bei uns landet keine Bewerbung im Müll", verspricht sie. Auch in Sachen Verpackungskomfort ist sie tolerant. Die Bewerber wollen sich aus der Masse hervorheben, dessen ist sie sich bewusst. "Und das gelingt ihnen mit spektakulären Verpackungen und Aktionen ja auch." Aber am Ende des Tages zähle eben, was dahinter steckt.
Auf Funktionalität und Gestaltung kommt es an
Klar - gelegentlich öffnen kleinere Spektakel die Tür. So bekam ein Bewerber den begehrten Job, nachdem er als Blondine aufgebrezelt die Unterlagen persönlich abgegeben hatte - entsprechend dem sexuellen Beuteschema von Agentur-Mitgründer Jean-Remy von Matt. Ein anderer Bewerber hatte einen Mietwagen des Agenturkunden SIXT mit seinem Stellengesuch beschriftet und vor der Tür geparkt. "Unser Geschäftsführer Oliver Voss hat die dort angegebene Handynummer auch spontan angerufen", erinnert sich Wittmann. Für einen Job habe es dann aber nicht gereicht, weil die Qualifikation des Bewerbers zu wünschen übrig gelassen habe.
Bewerber sollten Wittmanns Erfahrung nach lieber ihre Kreativität durch die Auswahl der Arbeitsproben unter Beweis stellen. "Wer sich für einen Grafikposten bewirbt, darf aber natürlich eine toll gestaltete Mappe liefern", sagt Wittmann, "ist ja sein Handwerk". Ansonsten legt sie mehr Wert darauf, dass die Unterlagen eine Vielfalt und Bandbreite der bisherigen Arbeit zeigen. "Das zeigt, dass ein Bewerber geistig und gestalterisch flexibel ist", sagt sie.
Mappen sollen angenehm und handlich sein
Immer wieder ermuntern Ratgeber auch Bewerber eher unkreativer Branchen, kreativ zu sein. Indem sie etwa dreiteilige, bunte oder komplett selbstgestaltete Bewerbungsmappen verwenden oder das Anschreiben besonders pfiffig formulieren. "Solche Bewerbungen gefallen dem Empfänger meist weniger, als dem Absender", warnt Hans Rainer Vogel, Mitinhaber des Personal- und Karriereberatungsunternehmens Vogel und Detambel in Wiesbaden. Bewerber sollten ihren Drang zur Originalität daher zügeln. Und mehr auf Gestaltung und Funktionalität achten.
Grundsätzlich gilt: Je konservativer die Branche, desto klassischer die Mappe. "Im Zweifelsfall habe ich die Mappe lieber schlicht", sagt Nicole Weschke, Sprecherin der Düsseldorfer Mediaagentur Crossmedia GmbH und für die Personalrekrutierung mitverantwortlich. "Bewerber machen dem Personaler eine Freude, wenn er die Unterlagen einfach rausnehmen und kopieren kann", schließt sich Thorsten Krings an, Leiter Personalmarketing und Organisationsentwicklung der Düsseldorfer Metro AG.
Bewerbung nach dem Prinzip Bild-Zeitung
"Ob die Mappe grau, dunkelblau, dunkelrot oder weiß ist, ist dabei nebensächlich", sagt Vogel. Bewerber könnten sie auch mit weniger verspielten Methoden betonen, weiß er. "Indem sie Ordner verwenden, die sich angenehm anfühlen." Statt aus Plastik sollten die Mappen lieber aus Karton sein. "Außerdem sollten sie keine Mappe verwenden, die der Empfänger mit beiden Händen öffnen muss. Das ist zu umständlich", rät Vogel. Das Papier solle ruhig stabiler sein, als das übliche 80-Gramm-Kopierpapier. "Und es darf auch einen ganz leichten Farbstich haben."
Bei der Gestaltung der Unterlagen sollten Bewerber Wert auf Proportionen und Lesbarkeit legen, rät Vogel. "Statt Arial oder Times dürfen sie ruhig Schriftarten wie Verdana oder Garamond verwenden", sagt er. "Die sind nicht so gängig und fallen daher mehr auf." Regeln für wirkungsvolle Proportionen könnten sich Kandidaten von der Bildzeitung abschauen, rät er. "Auch die Länge der Nachricht ist eine Nachricht", konkretisiert er. Das heißt im Klartext: Wichtige Stationen haben im Lebenslauf mehr Zeilen verdient als weniger wichtige. "Und die großen Buchstaben stehen oben", ergänzt Vogel. Soll heißen: Die wichtigen Stationen sollten nicht erst auf den letzten drei bis vier Zeilen einer Seite auftauchen.
K.O.-Kriterium: Unprofessionelles Foto
Beim Foto sollten sich Bewerber an die Standards halten. "Übergroße Fotos oder Fotos in der Natur sollten sie tunlichst nicht verwenden", sagt Jutta Boenig, Karriereberaterin und Inhaberin der Boenig Beratung in Überlingen. Fotos, die nicht in den Business Kontext passen, sind auch für Krings ein K.O.-Kriterium. "Unprofessionelle Fotos wie billige Bilder aus dem Automaten werten wir als Malus", sagt er. "So etwas wirkt sehr schnell peinlich", schließt sich Weschke an.
Auf Kreativität sollten Bewerber Vogel zufolge auch beim Anschreiben verzichten. "Wenn die Voraussetzungen nicht stimmen, kann das Anschreiben noch so originell sein - man wird trotzdem nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen." Dem stimmt Krings zu. "Ich achte darauf, dass das Anschreiben keine Fehler aufweist und inhaltlich dem entspricht, was ich vom künftigen Stelleninhaber erwarte", erklärt er. Auch Weschke findet, Bewerber müssten nicht durch Originalität glänzen. "Ein klassisch strukturiertes, ehrliches Anschreiben ist mir am liebsten."
Lieber ärgern als langweilen
Dabei müssen Bewerber ja nicht gleich stumpf die Anzeige zitieren. "Sie können zum Beispiel schreiben: 'Ihre Anzeige hat mich angesprochen, weil...'", empfiehlt Boenig. "Beim Anschreiben wird schnell klar, ob der Bewerber sich wirklich Gedanken gemacht hat", ergänzt Weschke.
"Ein Bewerber hat mal alle Formulierungen gesammelt und im Anschreiben aufgegriffen, die wir für die verschiedenen Absagegründe verwenden", erinnert sich Wittmann. "Diese Bewerbung fiel positiv auf, weil sie einfach sehr intelligent war." An sprachlichen Wendungen wie "frisches Blut" oder "Frischfleisch" oder als Rezeptblock gestalteten Unterlagen habe sie sich dagegen satt gesehen. "Da ist es mir schon lieber, ich ärgere mich, als mich mit so etwas zu langweilen."